Es ist fast 15 Jahre her, da taten sich der legendäre Hermann Hader, der niederösterreichische Arzt Hubert Nemec und der Kärntner Unternehmer Günter Baurecht zusammen, um gemeinsam über ein Symposium nachzudenken. Vor allem das große Rätsel „Transitpost“ sollte mit Hilfe von Kapazitäten wie James van der Linden entschlüsselt werden.
Nach weiteren fünf Jahren hatte sich die Runde erweitert und der Plan konnte in die Tat umgesetzt werden: „Transpölten“ – eine Wortschöpfung von Hubert Jungwirth – ward geboren. Noch krabbelte das Neugeborene irgendwo in St. Pölten herum, aber schon bald fand es seine endgültige Heimat in Wilhelmsburg, südlich der Niederösterreichischen Landeshauptstadt. Mit unermüdlichem, aufopfernden und die eigenen Nerven wenig schonendem Einsatz brachte es das Duo Nemec/Baurecht 2014 auf stolze zehn „Transpölten“-Seminare.

Die DASV-Teilnehmer obere Reihe: Klaus Schöpfer, Josef Adam, Dr. Thomas Mathà (leider etwas verdeckt), Dr. Gerald Heschl, Gerhard Zeltner, Dr.
Herbert Kühn, Werner Schindler, Andreas Grünewald, Hubert Jungwirth, Dr. Robert Fecher, R. Buschhaus, Walter Klinger, Heribert Kaufmann, Dr. Heinrich Stumvoll, Robert Egger, Dr. Hubert Nemec, Axel Schramek. Untere Reihe: Dr. Andreas Myskiw, Friedrich Pietz, Günter Baurecht, Klaus Weis, James Van der Linden.
Das Programm in diesem Jahr war einem Jubiläum würdig. Schon traditionell führte Friedrich Pietz ein. Diesmal beschäftigte er sich mit den Estafetten von der kaiserlichen Reichspost bis zur bayrischen Staatspost. Unter Estafetten versteht man Schreiben, die mittels Extrapost durch einen eigenen Postreiter oder Boten möglichst rasch befördert wurden. Die Postmeister mussten dafür eigens Pferde zur Verfügung stellen.
Der Franke zeigte dabei Auszüge aus seiner Sammlung, die mehr schon einem Archiv gleicht. Briefe, Formulare und Quittungen bekam das staunende Publikum zu sehen. Ist man schon stolz, wenn man in seiner Sammlung vielleicht ein oder zwei solcher Stücke findet, so zeigte Pietz, was es alles gibt. Etwa eine kaiserliche Estafette vom Reichstag oder die Einladung zu einem Ballonstart mittels Estafette aus dem Jahr 1786. Den Schluss bildete ein Kapitel zur Personenbeförderung mittels Extrapost.
In die Geschichte der Postgeschichte führte der Ungar Denes Czirok. Bevor er sich seinem Thema, den Auslandsbriefen aus Ungarn bis 1850, stellte, präsentierte er den Vorfahren aller ungarischer Postgeschichtler: Bela Terfi. Der ehemalige ungarische Minister war in den 30er-Jahren Gründungsmitglied des SAVO und konnte eine Sammlung von 3000 ungarischen Vorphila-Briefen sein Eigen nennen. Davon ging genau ein Stück ins Ausland. Damit demonstrierte Denes Czirok, wie selten Briefe aus der ungarischen Reichshälfte ins Ausland waren. Im Verhältnis dazu legte er eine Unmenge an Auslandsbriefen vor, beschränkte sich aber zunächst auf die Altdeutschen Staaten, Frankreich und Großbritannien. Im nächsten Jahr wartet der zweite Teil mit den italienischen Staaten und dem Osmanischen Reich.
Der Großmeister der europäischen Postgeschichte, James van der Linden, entführte das Auditorium in seine unmittelbare Heimat, das heutige Belgien. Nicht nur geographisch, auch zeitlich begab er sich in sein „Kerngebiet“: die Zeit der frühen Taxis. Aufgrund neuester Forschungsergebnisse konnte er beweisen, dass die Taxis nicht die ersten Postmeister im Dienste des Kaisers waren. Allerdings übernahm Franz von Taxis als erster das Amt des Generalpostmeisters. Auch handelte Franz von Taxis entgegen der bisherigen Meinung nicht alleine. Nicht weniger als fünf Mitglieder der Familie wurden bereits 1508 in Flandern genannt, dazu gab es noch jede Menge anderer Postreiter. James van der Linden skizzierte die wechselvolle Geschichte der Taxis in Brüssel, die vor allem unter den Kriegen des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV massiv zu leiden hatten. Schlußendlich mussten sie Brüssel verlassen und kamen über Frankfurt nach Regensburg, wo ja heute noch die Fürsten von Thurn und Taxis residieren.
Ebenfalls in die kriegerische frühe Neuzeit im Norden und Osten der Monarchie geleitete Fritz Puschmann. Es gibt in Österreich wohl keinen Zweiten, der nicht nur mit Material, sondern vor allem mit umfassendem Wissen so tief in die Postgeschichte der habsburgischen Länder eintauchen kann. Diesmal startete Puschmann bei der Schlacht von Mohacs im Jahre 1526. Durch die Niederlage des ungarischen Königs fielen Böhmen und Teile Nordungarns an die Habsburger. Briefe von Kaiser Ferdinand I aus den neu erworbenen Gebieten sowie sämtlicher ungarsicher Hofpostmeister bis zum Ende des 17. Jahrhunderts machten den Anfang. Die Zeit der Stempel wurde mit der größten geschlossenen Sammlung der berühmten Adler-Posthorn-Stempel Galiziens eingeleitet, mit den Bogenstempeln abgerundet, bevor es in die Markenzeit ging. Mehrfach-, Bunt- und Mischfrankaturen wechselten sich in einer Vielzahl und Qualtität ab, dass man fast vergessen konnte, wie selten diese Gebiete sind. Das Sahnehäubchen bildeten DDSG- und extrem seltene Russland-Briefe.
Mit diesem Höhepunkt war der erste Tag jedoch noch nicht abgeschlossen. Der „Festabend“ brachte zunächst auch Ehrengäste wie den Präsidenten des VÖPH, Mag. Anton Tettinek, der Vindobona, Bgm. Günter Stellwag und den Präsidenten des DASV, Kurt Weis, der während des gesamten Seminars anwesend war. Den beiden Initiatoren von „Transpölten“, Günter Baurecht und Dr. Hubert Nemec wurde das Goldene Ehrenzeichen des Verbandes verliehen. Präsident Tettinek hob in seiner Laudatio die großen Verdienste um die österreichische Postgeschichte hervor.
Launig wurde es dann vor dem eigentlichen Hauptakt: In gewohnt humorvoller Weise präsentierte Hubert Jungwirth Gedichte, in denen er die zehn Jahre „Transpölten“ Revue passieren ließ. Pointiert skizzierte er die Eigentümlichkeiten und Launen der Teilnehmer sowie die Mühen der Organisatoren. Begleitet wurde er vom jüngsten „Transpöltener“, Dr. Robert Fecher, der gekonnt die Gitarre zu irischen Weisen zupfte.
Den eigentlichen Höhepunkt des Symposiums bildete die Präsentation des Buches: Jeder Teilnehmer – und die einzige TeilnehmerIN – verfasste einen philatelistischen Lebenslauf, präsentierte einen Lieblingsbeleg und schrieb einen Fachartikel. Auf mehr als 300 Seiten entstand so ein Kompendium des gesammelten postgeschichtlichen Wissens von „Transpölten“. Es ist in seiner Breite und Tiefe ein Meisterwerk, das in keiner ernsthaften philatelistischen Bibliothek fehlen sollte.
Der zweite Tag widmete sich einem besonders schwierigen Thema der Postgeschichte: der Schweiz. Jeder, der schon einmal einen Vorphila-Brief in oder durch die Schweiz interpretieren musste, weiß über die Plage mit den unzähligen Taxvermerken. Wie sich im Vortrag von Andreas Grünewald zeigte, geht es aber eingefleischten Schweiz-Spezialisten nicht besser. Obwohl die Aktenlage bei den Eidgenossen unvergleich besser ist als in Österreich, hat sich noch kaum jemand die Mühe gemacht, diese aufzuarbeiten. Die wechselnden Posthoheiten in den Kantonen, die unterschiedlichen Währungen und die bewussten Verzögerungen (um mehr Porto zu kassieren) erleichtern es nicht gerade, Licht ins Dunkel zu bringen. Fazit: Die Schweiz ist und bleibt kompliziert. In manchen Gegenden ist die postgeschichtliche Landkarte der Schweiz noch gänzlich weiß.
Wie „Transpölten“ zeigte, beschäftigen sich aber zusehends mehr Forscher mit dem benachbarten Alpenland. Hubert Nemec outete sich als Graubünden-Experte. Auch sein Vortrag war der gelungene Beweis dafür, dass selbst die Post eines einzigen Kantons nicht so einfach ist. Die Schweiz hatte – zumindest postalisch – immer schon stur einen sehr eigenen Weg beschritten. Die Geschichte der Fussacher Boten und ihr Kampf um die Post mit den Taxis und den Österreichern, die Paßverbindungen nach Chiavenna machen diesen Kanton aber besonders spannend.
Dass man sich auch nördlich des Weißwurst-Äquators mit der Schweiz beschäftigt, bewies eindrucksvoll R. Buschhaus. Er zeigte die unterschiedlichen Gewichtsprogressionen und daraus resultierenden Taxveränderungen anhand der Schweizer Incoming Mail. Besonders beeindruckend war die Dichte der Brasilien-Belege, die er mit den unterschiedlichsten Leitwegen zeigen konnte.
Den Abschluss des Symposiums bildete ein Vortrag über die Feld- und Militärpost in Tirol während der französisch-bayrischen Besetzung. Robert Egger zeigte Briefe von Andreas Hofer und anderen Tiroler Freiheitshelden gemeinsam mit Schreiben Napoleons und französischer Generäle. Friedlich reihten sich in die Palette auch Unmengen von Briefen mit dem seltenen „KB Feldpost“-Stempel der bayrischen Truppen in Salzburg und Tirol. Es gibt wohl keinen größeren Bestand an Feld- und Militärpost vom Ersten Koalitionskrieg bis zum Wiener Kongress auf österreichischem Gebiet.
Mit diesem postgeschichtlichen Feuerwerk ging „Transpölten 2014“ zu Ende. Viele fuhren mehrfach bereichert nach Hause: Einmal durch das gewonnene Wissen, dann durch den intensiven Austausch und das Fachsimpeln mit Gleichgesinnten und nicht zuletzt durch manch schönen Fund im schier unendlichen Mater.
Gerald Heschl