Stempel – das „Brot der Postgeschichte“?

von Thomas Höpfner

Können Sie sich noch an die Zeiten erinnern, in denen in einem Postamt am Schalter der Stempel das wichtigste Werkzeug war? Mit ihm wurden z.B. die aufgegebenen Einschreibbriefe oder Einlieferungsbelege gestempelt. Heute sind Stempel zwar nicht ganz verschwunden, haben aber nur noch eine Nebenrolle. Das war mal ganz anders.

Abb. 1. Aus Feuser/Münzberg, Deutsche Vorphilatelie

Es war im Jahr 1717, als in Mainz der erste Ortsstempel in Deutschland in Gebrauch kam (Abb. 1). Außerhalb von Deutschland wurden bereits wesentlich früher Aufgabestempel verwendet und später auch solche, die z.B. die Bezahlung von Beförderungsgebühren anzeigten. Mit der fortschreitenden Entwicklung staatlich organisierter Postdienste wie z.B. der Kaiserlichen Reichspost verbreitete sich die Verwendung von Stempeln, die sehr wichtig für die Berechnung der Postgebühren waren, insbesondere wenn die Beförderung mehrere Postverwaltungen berührte. Ab der Einführung von Briefmarken (beginnend 1840 in Großbritannien) kam noch die Markenentwertung als wichtiger Zweck von Stempeln hinzu.

Abb. 2: Daguin-Stempelmaschine

Wer sich für Stempel interessiert und ein geeignetes Sammelthema sucht, hat die Qual der Wahl. Wie wäre es mit den Stempeln einer Stadt (z.B. München) oder einer Region (z.B. Baden)? Oder ein Stempeltyp (wie z.B. die Hufeisenstempel oder die Daguin Duplexstempel, die es in u.a. Rumänien und Frankreich gab; Abb. 2)? Apropos Stempeltyp: Für die verschiedenen Stempelformen gibt es Bezeichnungen, mit denen sich Stempelsammler vertraut machen sollten (Abb. 3). Welchen Stellenwert die Markophilie, wie die Beschäftigung mit Stempeln genannt wird, innerhalb der Postgeschichte hat, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. In der Fachliteratur kann man feststellen, dass Stempel nicht zu kurz kommen, und das gibt den Interessierten die Möglichkeit, sich über das Vorhandensein von Stempeln und deren Verwendung genau zu informieren. Darüber hinaus bietet sich u.U. an, die in Frage kommenden Postverträge zu studieren, wenn darin Vorschriften zur Verwendung von Stempeln enthalten sind. Bei Stempeln gibt es solche mit hohem Bekanntheitsgrad, und dazu gehören in der vorphilatelistischen Zeit die französischen Rayonstempel der „Département Conquis“. Als Beispiel einer Stempelsammlung soll anhand von einigen Belegen gezeigt werden, welchen Reiz diese Stempel haben und auf was bei der Bearbeitung zu achten ist.

Eingrenzung des Sammelgebietes

 

Abb. 4: Varel nach Oldenburg, 1812; links
unten der Franchise-Stempel des Absenders

Abb. 4: Varel nach Oldenburg, 1812; links; unten der Franchise-Stempel des Absenders

Eines der Standardwerke zu diesem Thema, DEPARTEMENT CONQUIS von Albert Reinhardt, führt insgesamt 49 Départements auf (84-87, 90-134; ohne Illyrische Provinzen), davon lagen (nach heutiger Definition) 9 vollständig auf deutschem Gebiet. Zeitlich bezieht sich das Thema auf den Zeitraum von 1792 bis 1815. Eine naheliegende Eingrenzung ist die Auswahl eines oder mehrerer Départements. Wer sich für das Département 129 (BOUCHES DU WESER = Wesermündungen) entscheidet, findet dort 40 mit Stempeln dokumentierbare Orte (Abb. 4).

Stempel für unbezahlte und bezahlte Briefe

Für unbezahlte und bezahlte Briefe gab es unterschiedliche Stempel (siehe Abb. 5). Grundsätzlich sollten wohl die Stempel für unbezahlte Briefe in schwarzer Farbe abgeschlagen werden und die für bezahlte Briefe in roter Farbe, aber es gibt zahlreiche Beispiele, in denen das nicht der Fall war.

Abb. 5a: Deux-Ponts (Zweibrücken) nach Frankfurt, unbezahlt (= Portobrief), 1804

Abb. 5: Cleves (Kleve) nach Frankfurt, bezahlt (= Frankobrief), 1804

 

Die Déboursé-Stempel

Dieses waren Stempel, die eine Portoentlastung anzeigten. Das war z.B. dann erforderlich, wenn bei nicht zustellbaren Briefen eine eingehende Gebührenbelastung rückgängig gemacht werden musste. Die Déboursé-Stempel sind generell recht selten und deshalb in einer Département Conquis Stempelsammlung wirkungsvolle Highlights.

Abb. 6: Samer nach Aix-la-Chapelle (Aachen) u. Weiterleitung nach Jülich.

Schöne Belege

Auf die Frage, ob man schöne Belege zeigen kann, auch wenn sie „häufige“ Stempel haben, kann es nur eine Antwort geben: Jederzeit! Glasklare Stempelabschläge und kalligraphisch schöne Briefvorderseiten sind „Hingucker“, die den Gesamteindruck aufwerten (Abb. 7).

Abb. 7a: Diano-Marine nach Alassio, 1814

Abb. 7b: Saint- Maurice en Valais(St. Moritz) nach Lausanne, 1813

Zusammenfassung

Bei der hier beschriebenen Sammlung kommt es darauf an, möglichst alle bekannten Stempel und insbesondere die weniger häufigen zu zeigen. Hinsichtlich der Struktur einer Sammlung sind verschiedene Kriterien denkbar, z.B. regionale und zeitliche, aber auch die verschiedenen Stempelarten. Bei der Verwendung der Stempel kann auf frühe und späte Verwendungen sowie die Farben eingegangen werden. Darüber hinaus können bei den Belegbeschreibungen postgeschichtliche und postvertragliche Aspekte einfließen wie z.B. Gebühren, Beförderungswege oder seltene Destinationen.

Zum Schluss noch die Erklärung der Überschrift. Stempel sind innerhalb der Postgeschichte irgendwie wie das Brot bei den Nahrungsmitteln. Sie sind allgegenwärtig und in großer Vielfalt vorhanden, so dass es Sinn macht, nur einige von ihnen auszuwählen. Und die Stempel an sich sind wie eine Scheibe Brot „ohne alles“, die erst durch den Aufstrich oder Belag zum „Leckerbissen“ wird. So wie bei den Stempeln, die durch die Beschreibung und die Einordnung in die postgeschichtlichen Zusammenhänge ihr Potenzial entfalten.